Kassel der 50er Jahre
Sylvia Stöbe und Michael Krauss
15.09.2003





In wenigen Städten sind die Architektur und der Städtebau der 50er Jahre so ausgeprägt wie in Kassel. (Beispiele: Treppenstrasse, Aufbau der Innenstadt, Auefeldsiedlung u.a.m.). In Abweichung aber von den Forderungen der klassischen CIAM-Moderne (Funktionstrennung!) hat man beim Wiederaufbau von Kassel das Wohnen in der Innenstadt in großem Umfang realisiert. Dieser Baubestand aus den 50er Jahren ist bis heute nahezu vollständig erhalten, jedoch durch Überalterung und Missachtung gefährdet. Es werden Umbauten vorgenommen, die nicht auf die ursprünglichen Gestaltungsmerkmale und Details Rücksicht nehmen. Die Bewahrung und Wiederbelebung des Bestandes an Architektur der 50er Jahre ist eine für die geschichtliche Identität Kassels wichtige Aufgabe. Der Wert der Konzeption der 50er Jahre liegt auch in der gesundheitsförderlichen Belichtung und Belüftung der Stadtquartiere und der Wohnungen. Dies sollte man herausstellen und als positiven Beitrag anerkennen, anstatt der untergegangenen historischen Substanz nachzutrauern und durch „kritische Rekonstruktion“ auch noch die Aktivposten des Wiederaufbaus zu zerstören. Dies gilt umso mehr als ein Bedarf an weiteren Wohnungen und Büros in der Stadt nicht erkennbar ist und allgemein die Schrumpfung der Städte durch den Bevölkerungsrückgang bevorsteht. Eine positive Identifizierung mit der Stadt kann sich auch über das hohe Maß an grünen Freiräumen ergeben. Ein Abriss vorhandener guter Beispiele der 50er Jahre sollte jedenfalls verhindert werden (z.B. Altmarkt Polizeigebäude.

Die Diskussion über die Moderne ist nicht beendet. Das Pro und Contra wird weiter kontrovers diskutiert. Gerade deshalb erscheint das Kasseler Beispiel wichtig, weil hier „in situ“ die Diskussion an der konkreten Realität geführt werden kann. Es fällt dabei auf, dass anders als bei anderen (auch ausländischen) Planungen aus dieser Zeit hier ein Maßstab eingehalten wurde, der bis heute angemessen geblieben ist. Das heißt aber nicht, dass das hypertrophe Verkehrskonzept jener Zeit damit entschuldigt wäre.

Wir schlagen folgendes vor:
Typische Beispiele aus dieser Zeit sind in ihrer ursprünglichen Form zu sichern bzw. durch geeignete Maßnahmen wieder aufzuwerten. Insbesondere sollen qualitätsvolle und maßstabsbildende Bauten nicht nur in Form einer Fassadenerneuerung, sondern vor allem auch durch eine Nutzungsverbesserung im Inneren auf den Stand des modernen Wohnens gebracht werden. (Methode des kleinstmöglichen Eingriffs nach Lucius Burckhardt). Zum Datum 2010 sollen ex-emplarische Wohnungs- bzw. andere Nutzungsbeispiele der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dafür sollen nicht nur Fassaden und Grundrisse instand gesetzt, sondern auch ausge-wählte Beispiele der Inneneinrichtung im Stil der 50er Jahre realistisch präsentiert werden (vgl. das von der Kulturhauptstadt Rotterdam erstellte Programm.

Aktionen 2010:
- Besichtigungsprogramm
(Wohnungen, Büros, Hotels, Kinos, Kirchen der 50er Jahre) für die Besucher der Stadt (vgl. Programm von Rotterdam 2001)
- Konferenz:
„Wiederaufbau in den 50er Jahren“ und „Kassel - Stadt im Grünen“ (mit Partnern: Vergleichende Betrachtung zum 50er-Jahre-Siedlungsbau im europäischen Raum , z.B. Tapiola in Finnland u.a.)

Mögliche Kooperationen mit bereits vorhandenen Initiativen:
- Kassel und seine Identitäten: Friedhelm Fischer, Christian Kopetzki, Ingrid Lübke
- Kassel - Stadt der Moderne: Dieter Hennicken, Klaus Pfromm
- Stadtplanerische Fragen: SRL-Gruppe (Michael Volpert)
- Baukultur: Barbara Ettinger-Brinckmann, Uwe Hoegen
- Inneneinrichtung 50er Jahre Wohnung: Stadtmuseum, Karl Hermann Wegner,

Kontakt: Architektursalon-Kassel,
Sylvia Stöbe und Michael Krauss, Karl-Kaltwasser-Strasse 26, 34121 Kassel,
Fon: 0561-9324105, email: symi@architektursalon-kassel.de



zurück zum Forum
zum Anfang